In einem aktuellen Podcast sinniert der Philosoph und Publizist Richard David Precht über das Verhältnis zwischen KI und Generation Z sowie über die möglichen Auswirkungen der KI auf die Zukunft und Zukunftschancen der Gen Z. Seine Überlegungen beginnen mit der These, die Generation Z erlebe einen historischen Bruch: Zum ersten Mal in der Geschichte wachse eine Generation in dem Bewusstsein auf, dass die Welt, auf die sie über Jahre vorbereitet wurde, nicht mehr existieren wird. Ihre häufig diagnostizierten Depressionen und Ängste deuteten aus Prechts Sicht nicht auf individuelle Schwäche, sondern auf eine realistische Wahrnehmung einer Zukunft hin, die in rasanter Geschwindigkeit an Algorithmen delegiert werde.
Precht ist sich sicher, dass die klassischen Erzählungen westlicher Gesellschaften – Bildung führe zu Arbeit, Arbeit zu Sicherheit, Sicherheit zu einem erfüllten Leben – irreversibel zerbrochen seien. Junge Menschen hätten zwar alles »richtig« gemacht, müssten nun aber zusehen, wie zentrale Tätigkeiten ihres beruflichen und intellektuellen Selbstverständnisses von Maschinen übernommen werden. Precht betont, dass nicht nur Routinen, sondern zunehmend Denken, Kreativität und Problemlösung automatisiert würden – genau jene Fähigkeiten also, auf denen die menschliche Identität seit der Aufklärung gründe.
Er warnt davor, die Generation Z vorschnell als labil oder unkonzentriert abzuwerten. Vielmehr sehe sie klarer als ältere Generationen, wie tiefgreifend die digitale Durchdringung der Gesellschaft bereits sei: Algorithmen bestimmten Informationsflüsse, strukturierten Aufmerksamkeit, filterten Entscheidungen – und würden gleichzeitig zu direkten Konkurrenten um berufliche und kreative Entfaltung. Die jungen Menschen wüssten, dass sie an einem Spiel teilnehmen sollen, dessen Regeln sich mitten im Lernen geändert haben und das sie kaum gewinnen können. Precht: »Stell dir vor, du bereitest dich dein ganzes Leben auf einen Marathon vor. Du trainierst, du opferst dich, du gibst alles. Und dann kurz bevor das Rennen beginnt, erfährst du, dass es nur noch für Maschinen ist, dass Menschen nicht mehr zugelassen werden, weil sie zu langsam sind. Das ist die Erfahrung der Generation Z.«
Precht beschreibt die daraus resultierende Verzweiflung nicht als Pathologie, sondern als »rationale Reaktion« auf ein gesellschaftliches System, das Menschen im Takt technologischer Effizienzlogik zunehmend entbehrlich macht. Anstelle individueller Therapien brauche es daher eine strukturelle Neubewertung des Verhältnisses zwischen Mensch, Arbeit und Technologie.
Aus philosophischer Perspektive stellt sich laut Precht die Frage, was den Menschen auszeichne, wenn Maschinen nicht nur denken, sondern möglicherweise »vernünftiger« handeln könnten – frei von Emotionen, Vorurteilen und kognitiven Begrenzungen. Die Generation Z erlebe diese Kränkung unmittelbar, da Entscheidungen über Bildung, Kredite, Berufschancen oder soziale Teilhabe längst algorithmisch vorgeprägt seien. Viele fühlten sich nicht mehr als Subjekte, sondern als Datenpunkte in Systemen, deren Funktionsweise sie nicht nachvollziehen können.
Precht identifiziert darin eine neue Form der Entfremdung: Nicht nur Arbeit, sondern die eigene Existenzberechtigung erscheint fraglich. Wer in einem ökonomischen System lebt, das Menschen primär nach ihrer Produktivität bewertet, müsse zwangsläufig den Eindruck gewinnen, ersetzbar zu sein. Die Künstliche Intelligenz mache diese Systemlogik sichtbarer als jede Technologie zuvor und beschleunigt die Konzentration von Wohlstand und Macht bei wenigen Akteuren.
Gleichzeitig argumentiert Precht, dass die gesellschaftliche Reaktion darauf bislang ausblieb. Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit behandelten technologische Entwicklungen wie Naturgesetze, obwohl sie Ergebnis menschlicher Entscheidungen seien. So entstehe eine Zukunft ohne Vision: Während frühere Generationen zumindest Vorstellungen von Aufstieg, Fortschritt oder persönlicher Entfaltung gehabt hätten, wachse die Generation Z in eine »Sinnleere« hinein.
Er fordert daher eine grundlegende Revision der Arbeits- und Wirtschaftsordnung. Arbeit müsse neu definiert werden – nicht mehr als Lohnarbeit, sondern als sinnstiftende Tätigkeit. Technologie solle nicht länger als Ersatz für Menschen dienen, sondern als Werkzeug zur Erweiterung menschlicher Möglichkeiten. Als zentrale gesellschaftliche Antwort nennt Precht die Entkopplung von Existenzsicherung und Erwerbstätigkeit, etwa durch ein bedingungsloses Grundeinkommen, das Menschen befähige, Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit jenseits marktlicher Verwertbarkeit zu entwickeln.
Precht betont, dass die Generation Z aufgrund ihrer Betroffenheit und Klarheit zu einer treibenden Kraft gesellschaftlichen Wandels werden könne. Doch dazu brauche sie politische Unterstützung, kollektive Narrative und neue Sinnangebote. Die Krise dieser Generation sei letztlich die Krise einer Zivilisation, die noch keine Antwort darauf gefunden habe, welchen Platz der Mensch in einer Welt behalten soll, in der Maschinen nahezu alles effizienter leisten können.
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