›Agile Robots‹ setzt ein strategisches Zeichen für die europäische Industrie: Ab 2026 will das Unternehmen seinen ersten humanoiden Roboter, den ›Agile ONE‹, in einer neuen Produktionsstätte in Bayern fertigen. Der Münchner Robotik-Spezialist vereint dabei KI, Sensorik und Fertigungstechnologie zu einem Industriehumanoiden, der nicht als Laborprototyp, sondern als skalierbares Produkt gedacht ist.
Der Zeitpunkt ist günstig. Weltweit steigt die Nachfrage nach flexibler Automatisierung, gleichzeitig werden humanoide Systeme zunehmend als potenzieller Produktivitätshebel für Branchen gesehen, in denen klassische Robotik an Grenzen stößt – etwa bei variantenreicher Montage oder komplexer Maschinenbedienung.
»Die nächste industrielle Revolution wird von Physical AI bestimmt«, sagt Gründer und CEO Dr. Zhaopeng Chen. Gemeint ist eine Robotergeneration, die Umgebung, Werkstücke und Arbeitsabläufe besser versteht und autonomer agiert als bisherige Automatisierungstechnik.
Strategische Relevanz: Europas Roboterindustrie sucht Anschluss
Die Einführung des ›Agile ONE‹ erfolgt in einem Umfeld, in dem Europa im internationalen Vergleich zunehmend unter Druck steht. Zwar zählt Deutschland weiterhin zu den Ländern mit der höchsten Roboterdichte in der Industrie, doch die großen Impulse kommen derzeit aus anderen Regionen:
- China ist sowohl der größte Absatzmarkt für Industrieroboter als auch das am schnellsten wachsende Entwicklungsökosystem.
- Die USA forcieren humanoide Systeme mit hohen Investitionen – von Tesla Optimus bis Figure AI.
- Japan bleibt führend in Präzision und Industrieintegration.
Der Ansatz von ›Agile Robots‹ setzt genau dort an, wo Deutschlands Stärken liegen: hohe Fertigungstiefe, Präzisionsmechanik, Sensorik und sicherheitskritische Industrieintegration. Mit einem Umsatz von rund 200 Millionen Euro im Jahr 2024 und weiterhin starkem Wachstum gehört das Unternehmen zu den sichtbarsten europäischen Playern im Robotermarkt.

Produktmerkmale richten sich klar an Industrieanwender
Der ›Agile ONE‹ wurde für klassische Automatisierungslücken entwickelt – Aufgaben, die bisher schwer zu robotisieren waren. Dazu zählen Materialtransport, Pick-and-Place, Maschinenbedienung und anspruchsvolle Manipulationen. Auffälliges Merkmal: eine robotische Hand, die dank umfangreicher Sensorik annähernd menschliche Geschicklichkeit erreicht.
Das KI-Modell, das auf einem der größten industriellen Datensätze Europas basiert, ist in mehrere Ebenen gegliedert. Es kombiniert strategische Planung, reaktive Steuerung und feinmotorische Kontrolle. Damit soll der Roboter variantenreiche Abläufe ausführen können, ohne dass für jede Aufgabe eine separate Programmierung nötig ist.
Alle Systeme – von bestehenden Roboterarmen der FR-, Diana- und Thor-Serie bis zum Humanoiden – laufen über die Softwareplattform ›AgileCore‹, die für eine einheitliche Integration in Produktionsprozesse ausgelegt ist. Für Industriekunden zählt vor allem dieser Systemgedanke: Skalierbare Automatisierung statt isolierter Insellösungen.
Der Datenfaktor: KI-Training in europäischer Cloud-Infrastruktur
Eine Besonderheit ist die geplante enge Anbindung an die neue Industrial AI Cloud von Telekom und NVIDIA. Sie dient als Trainingsumgebung für die KI der Systeme und ermöglicht Simulationen sowie die Generierung neuer Trainingsdaten – und das vollständig innerhalb Europas.
In Zeiten zunehmender geopolitischer Sensitivität und strenger Datenschutzanforderungen kann diese Infrastruktur ein Wettbewerbsvorteil sein: Sie verspricht digitale Souveränität und reduziert Abhängigkeiten von nichteuropäischen Plattformen.
Chance für die deutsche Industrie – aber kein Selbstläufer
Mit dem ›Agile ONE‹ betritt ein deutsches Unternehmen ein Technologiefeld, das international gerade enorme Dynamik erfährt. Der Erfolg wird weniger vom humanoiden Design abhängen als von der Fähigkeit, konkrete Produktivitätsprobleme in Fabriken zu lösen.
Für Deutschland könnte das Projekt mehr sein als ein neues Produkt: Es ist ein Signal, dass die heimische Roboterindustrie bereit ist, im globalen Wettbewerb um automatisierte, KI-gestützte Produktion wieder aktiver mitzuspielen.
Ob ›Agile Robots‹ diese Rolle langfristig einnehmen kann, entscheidet sich in den kommenden Jahren – auf dem Markt, nicht im Labor.
© Fotos oben: Agile Robots SE.
© ÆON-Z e.V. Thinktank. Hinweis: Bei der Recherche und Analyse dieses Beitrags wurde unterstützend Künstliche Intelligenz eingesetzt. Die redaktionelle Verantwortung für den Inhalt liegt bei der Redaktion. Alle Rechte vorbehalten, all rights reserved. Nachdruck und Weitergabe an Dritte untersagt.
