Abwärts – Richtung Idiocracy?

Abwärts – Richtung Idiocracy?

In der US-amerikanischen Science-Fiction-KomödieIdiocracywird eine geistig degenerierte Gesellschaft des Jahres 2505 persifliert, die kurz vor ihrem Ende steht. Als Hintergrund des Verfalls wird zu Beginn des Films die dysgenische These aufgestellt, dass im modernen Wohlfahrtsstaat Intelligenz und Bildung keine evolutionsbiologischen Selektionsvorteile brächten. Wikipedia: »Ein Erzähler illustriert dies am Beispiel eines Akademiker-Ehepaars: Im Laufe von 15 Jahren finden sie immer wieder neue Gründe, weshalb Kinder nicht in ihre aktuelle Karriereplanung passen, bis schließlich der Ehemann stirbt und sie beide kinderlos aus der Generationenfolge scheiden. Kontrastiert wird dieses Bild durch eine chaotische Unterschichtfamilie, die sich ungeplant und rasch vermehrt (demografisch-ökonomisches Paradoxon). Die Zukunftsvision des Films zeigt daraus folgend ein Land, in dem kritisches Denken und Bildung nahezu ausgestorben sind

Schon erste Anzeichen?

Die britische Financial Times (FT) berichtete unter der Headline Have humans passed peak brain power? über Studien, die auf einen allgemeinen Intelligenzverfall hindeuten. Demnach hätten Menschen aller Altersgruppen Konzentrationsschwierigkeiten und verlören ihre Fähigkeiten zum logischen Denken, zur Problemlösung und zur Informationsverarbeitung – alles Aspekte, mit denen die schwer fassbare Größe »Intelligenz« gemessen wird.

Die Ergebnisse stammen nach FT-Angaben aus Benchmarking-Tests, die die kognitiven Fähigkeiten von Teenagern und jungen Erwachsenen messen. Von der Monitoring the Future-Studie der University of Michigan, die Konzentrationsschwierigkeiten 18-jähriger Amerikaner dokumentiert, bis hin zum ›Programme for International Student Assessment‹ (PISA), das die Lernfähigkeit von 15-Jährigen weltweit misst, deuten jahrelange Forschungsergebnisse darauf hin, dass junge Menschen mit einer reduzierten Aufmerksamkeitsspanne und einem nachlassenden kritischen Denkvermögen zu kämpfen haben.

Gründe könnten sein, dass der Gegenwartsmensch weder Zeit noch Geduld hat. In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts konnten die populären Rundfunksender noch überlange Rockmusiktitel wie etwa das über 23 Minuten lange ›Dark Star‹ von Grateful Dead, ›Echoes‹ von Pink Floyd mit einer Länge von ebenfalls über 23 Minuten oder Led Zeppelins 26 Minuten, 53 Sekunden langes ›Dazed and Confused‹ (aus: The Song Remains the Same) senden. Das endete im Laufe der 1980er und 1990er Jahre. Die Aufmerksamkeitsspanne der Hörer reiche nur noch für drei bis vierminütige Songs postulierten schon damals die Radiomacher und setzten diese Musikformate durch. Nachweislich verkürzte sich etwa in Großbritannien die durchschnittliche Laufzeit eines Nummer-eins-Hits von vier Minuten und 16 Sekunden im Jahr 1998 auf drei Minuten und drei Sekunden im Jahr 2019. Inzwischen, so zeigen Studien, ist die Aufmerksamkeitsspanne von jugendlichen Musikhörern seit dem Jahr 2000 von zwölf auf acht Sekunden gesunken. In diesen wenigen Sekunden entscheidet sich, ob ein Popsong zum Hit oder zum Flop wird. Geschuldet ist dieser Trend insbesondere der Logik der Musik-Streamingdienste. Der Trend geht eindeutig zu kurzen Stücken, die weniger als drei Minuten dauern. Nur so könne man der schrumpfenden Aufmerksamkeitsspanne gerecht werden, heißt es.

Zwar ist es auch seit dem als COVID-19-Pandemie maskierten politischen Ausnahmezustand aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen im Bildungssystem nachweislich zu einem starken Rückgang der kognitiven Fähigkeiten gekommen, doch sind diese Trends bereits seit mindestens Mitte der 2010er Jahre zu beobachten. Dies lässt darauf schließen, dass die Ursachen viel tiefer liegen und weit über die Pandemie hinaus andauern.

Natürlich gibt es keine allgemeingültige Antwort darauf, weshalb ein Großteil der Menschen mit kognitiven Fähigkeiten zu kämpfen hat. Ein wichtiger Indikator ist jedoch der starke Rückgang der Lesebereitschaft und die veränderte Beziehung der Welt hinsichtlich des Informations- und Medienkonsums. So stellte das US-amerikanische National Endowment for the Arts im Jahr 2022 fest, dass nur 37,6 Prozent der US-Amerikaner im Vorjahr einen Roman oder eine Kurzgeschichte gelesen hatten – ein Rückgang gegenüber 41,5 Prozent im Jahr 2017 und 45,2 Prozent im Jahr 2012.

Die wohltätige britische Alphabetisierungs-Organisation National Literacy Trust führt seit 2005 jährlich eine Umfrage (Annual Literacy Survey) zur Lese- und Schreibkompetenz von Kindern und Jugendliche im Alter von fünf bis 18 Jahren durch. Die im Frühjahr 2025 durchgeführte Studie, für die 114.970 Minderjährige befragt wurden, zeigte einen drastischen Verfall der Lesefreude von Kindern und Jugendlichen (in Großbritannien) auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahrzehnten. Am deutlichsten ausgeprägt war der Rückgang der Lesegewohnheit bei Jungen im Alter von elf bis 16 Jahren. Im Gegensatz dazu blieb die Lesefreude der Mädchen stabil oder verbesserte sich leicht. 39,1 Prozent der Mädchen im Alter von acht bis 18 Jahren gaben an, in ihrer Freizeit gerne zu lesen, verglichen mit 25,7 Prozent der Jungen. Nur jeder Dritte (32,7 %) der Acht- bis Achtzehnjährigen gab in diesem Jahr an, »sehr« oder »ziemlich« gerne zu lesen. Seit Beginn der Umfrage ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in ihrer Freizeit gerne lesen, um 36 Prozent gesunken. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Acht- bis Achtzehnjährigen, die täglich in ihrer Freizeit lesen, seitdem halbiert – von 38,1 auf 18,7 Prozent. Dieser Trend, hieß es seitens der Organisation, sei eine Herausforderung, gefährde er doch die Lebenschancen und die Zukunft der jungen Menschen. Der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrunds auf das Lesen in der Freizeit ist laut Studie minimal (Lesen in der Freizeit wird geschätzt von 33 % der Angehörigen der höheren sozialen Schichten und von 31 Prozent der unteren Schichten).

Es wäre einfach, diesen Leseschwund darauf zurückzuführen, dass die Menschen zwar weniger Bücher, dafür aber mehr im Internet lesen. Doch laut den Ergebnissen der »Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung« (OECD), demselben internationalen Konsortium, das auch die PISA-Studien durchführt, versagten (im Jahr 2023) 34 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner auch in Sachen Rechenkompetenz komplett. Das bedeutet im Wesentlichen, dass ihnen jede Fähigkeit im Umgang mit Zahlen fehlt. Ein Jahr zuvor lag dieser Anteil bei 29 Prozent.

Besorgniserregend sind die Entwicklungen auch hierzulande. Beispielsweise bestanden in Berlin nur 2,6 Prozent der Schüler ohne Gymnasialempfehlung den Probeunterricht (mit Prüfung), der zum Wechsel aufs Gymnasium berechtigen soll. Das heißt: nur 51 der 1.937 Schülerinnen und Schüler, die sich dem Test unterzogen, waren erfolgreich. Die Gymnasialempfehlung in Berlin setzt einen Notenschnitt von 2,2 in der Grundschule voraus. Und selbst im ehemaligen ›Bildungs-Ländle‹ Baden-Württemberg erreichten von den landesweit knapp 100.000 Viertklässlern der Grundschulen bei der Mathematikprüfung Ende November 2024 nur sechs Prozent gymnasiales Leistungsniveau. 86 Prozent können lediglich auf Hauptschulniveau rechnen, acht Prozent erreichen Realschulstandard.

Neben dem inflationären Umgang mit digitalen Medien scheint sich bei den meisten Menschen auch das Verhältnis zu Informationen allgemein zu verändern, wie der FT-Bericht anmerkt. Zwar gebe es durchaus Möglichkeiten, Technologie ohne Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten zu nutzen, doch zeigten Studien zugleich, dass die Zeit vor dem Bildschirm zur Verkümmerung der sprachlichen Fähigkeiten von Kindern führt und es Erwachsenen im College-Alter erschwert, sich zu konzentrieren und Informationen einzuprägen bzw. zu erinnern.

Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass der menschliche Intellekt insgesamt Schaden genommen habe, heißt es in der Veröffentlichung. Doch »sowohl potenziell als auch qualitativ« sei im Allgemeinen unsere Intelligenz definitiv auf dem Rückzug. Übrigens eine These, die der als »umstritten« geltende irische Psychologe Richard Lynn vehement vertrat. Sein Sakrileg: Da er soziale Ungleichheit u.a. auf Intelligenzunterschiede zwischen den Menschen zurückführte, wurde der 2023 verstorbene Psychologieprofessor zum »roten Tuch« einer jeden Politik, die Ergebnisgleichheit zum Ziel hat. Lynn diagnostizierte und prognostizierte 2008 das Absinken des weltweiten IQ in den Jahrzehnten 2000 bis 2050. Seinen Erkenntnissen zufolge vermindern sogenannte dysgenische Prozesse die Intelligenz westlicher Nationen. Konkret sah er eine negative Korrelation zwischen Intelligenz und Kinderzahl, auch dysgenische Fertilität genannt.

Richard Lynn fasste seine Forschungsergebnisse wie folgt zusammen: »Wir zeigen, dass es in der Weltbevölkerung eine dysgenische Fertilität gibt, die durch eine Korrelation von -0,73 zwischen IQ und Fertilität über alle Nationen hinweg quantifiziert wird. Schätzungsweise hat dies zu einem Rückgang des genotypischen IQ der Welt um 0,86 IQ-Punkte im Zeitraum 1950-2000 geführt. Für die Jahre 2000-2050 wird ein weiterer Rückgang des genotypischen IQ der Welt um 1,28 IQ-Punkte prognostiziert. Im Zeitraum 1950-2000 wurde dieser Rückgang durch einen Anstieg der phänotypischen Intelligenz, den sogenannten Flynn-Effekt, kompensiert. Jüngste Studien in vier wirtschaftlich entwickelten Ländern ergaben jedoch, dass dieser Rückgang inzwischen aufgehört hat oder sich umgekehrt hat. Es ist wahrscheinlich, dass sich dieser »negative Flynn-Effekt« auf wirtschaftlich aufstrebende Länder ausweitet und weltweit eine Phase sinkender genotypischer und phänotypischer Intelligenz einleitet. Möglicherweise entwickelt sich eine ›neue [transhumanistische] Eugenik‹ der Biotechnologie, um der dysgenischen Fortpflanzung entgegenzuwirken

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