FUTŪRUM GERMĀNIÆ

FUTŪRUM GERMĀNIÆ

12 Szenarien deutscher Zukünfte

Wolfgang W. Koestner

(Eine Buchvorschau)

Vorwort

In einer Zeit, die von rasantem Wandel und tiefgreifenden Unsicherheiten geprägt ist, wagt das vorliegende Werk, »FUTŪRUM GERMĀNIÆ – Zwölf Szenarien deutscher Zukünfte«, einen ebenso nüchternen wie provokanten Blick auf die möglichen Pfade, die Deutschland in den kommenden Jahrzehnten beschreiten könnte. Es ist eine Einladung, über das Offensichtliche hinauszudenken und sich mit den komplexen Kräften auseinanderzusetzen, die unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur formen werden.

Das Buch gliedert sich in zwei kontrastierende Hauptteile, die jeweils sechs Szenarien präsentieren. Der erste Teil, »Entropistan«, entwirft eine Reihe von Entwicklungen, die Deutschland in eine Phase der gesellschaftlichen Entropie, des Niedergangs und der Desintegration führen könnten. Diese Szenarien beleuchten die Schattenseiten potenzieller Zukünfte, die aus aktuellen Trends und ungelösten Herausforderungen erwachsen.

Ein zentrales Thema in »Entropistan« ist die Geburtenimplosion, die uns mit den weitreichenden Folgen sinkender Geburtenraten konfrontiert – von überlasteten Sozialsystemen bis hin zum Verlust kultureller Dynamik und der fundamentalen Frage nach der Überlebensfähigkeit einer schrumpfenden Zivilisation. Ergänzend dazu analysiert das Szenario »Migrationsschocks« die tiefgreifenden demografischen Veränderungen durch Zuwanderung und deren Auswirkungen auf politische Mehrheitsverhältnisse, kulturelle Normen und die gesellschaftliche Kohäsion, insbesondere in städtischen Ballungsräumen. Weiterhin skizziert das Szenario »Wahn und Bildungsabsturz« einen besorgniserregenden Rückgang der kollektiven kognitiven Leistungsfähigkeit und des kritischen Denkens. Dieser Trend wird durch oberflächliche Diskurse, Bildungskrisen und den Einfluss sozialer Medien verstärkt, was die Innovationskraft und demokratische Prozesse gefährdet. Parallel dazu beschreibt das Szenario »Klassenkrieg« einen zunehmend harten Konflikt um gesellschaftliche Vorherrschaft, in dem herrschende Führungskader ideologische und machttechnische Waffen einsetzen, um eine Umverteilung von unten nach oben abzusichern und die wertschöpfende Mehrheit der werktätigen Bevölkerung zu marginalisieren. Die düsteren Prognosen setzen sich fort mit dem Szenario »Schatten innerer Spannungen«, das vor der Möglichkeit bürgerkriegsähnlicher Zustände in Deutschland warnt. Diese könnten genährt werden durch soziale und ethnische Fragmentierung, Parallelgesellschaften, wachsende Ungleichheit und den Verfall staatlicher Institutionen und Infrastrukturen. Abgeschlossen wird dieser Teil mit den »Aussichten aufs Kalifat«, welches die Vorstellung eines islamischen Herrschaftssystems auf deutschem Boden thematisiert, getragen von radikalisierten Milieus und verstärkt durch kulturelle Abschottung und den Anstieg des muslimischen Bevölkerungsanteils.

Dem gegenüber steht der zweite Teil, »Eldorado«, mit optimistischen und zukunftsweisenden Voraussetzungen sowie Entwürfen für Deutschland. Diese Szenarien zeigen auf, wie Deutschland durch strategische Entscheidungen und innovative Ansätze eine weiterhin kompetente Rolle in der Welt von morgen einnehmen könnte.

Obwohl die Szenarien »Technologische Stagnation« und »Innovationsparalyse« zunächst Herausforderungen beschreiben, dienen sie als kritische Ausgangspunkte. Sie betonen die Notwendigkeit einer Abkehr von der übermäßigen Abhängigkeit von etablierten Industrien und mahnen zur Überwindung bürokratischer Hemmnisse, um eine dynamischere, innovationsfreundlichere Kultur zu schaffen. Das Szenario »Biedermeier mit Palantir« beleuchtet die Risiken einer Gesellschaft, die Sicherheit über Freiheit stellt, und fordert dazu auf, die Balance zwischen Überwachung und individueller Entfaltung neu zu definieren, um eine bequeme, aber stagnierende Zukunft zu vermeiden. Eine positive Vision wird im Szenario »Langfristdenken« präsentiert. Wenn Deutschland politische Entscheidungen auf langfristige Ziele und nachhaltige Entwicklung ausrichtet, Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur priorisiert, könnte so eine solide Basis für zukünftige Generationen geschaffen werden. Das Szenario »Wettlauf um die Hightech-Zukunft« konzentriert sich auf die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft und Industrie durch gezielte Investitionen in zukunftsweisende Bereiche wie Biotechnologie, Präzisionsmedizin, Fusionsenergie, KI, Robotik und den New-Space-Sektor, um Deutschland als führenden Technologiestandort wieder zu errichten. Das ambitionierteste Szenario, »Jenseits der Kármán-Linie«, blickt in die Zukunft der deutschen und globalen Raumfahrt. Es reicht von historischen Pionierleistungen bis hin zu Mond- und Marsmissionen, Asteroiden-Bergbau und Weltraumtourismus und symbolisiert den ultimativen Sprung in eine grenzenlose Zukunft durch technologische und wissenschaftliche Exzellenz.

FUTŪRUM GERMĀNIÆ ist mehr als eine Sammlung von Prognosen; es ist ein Weckruf und ein Denkangebot. Es fordert uns auf, die Komplexität der Zukunft anzuerkennen, die Risiken zu verstehen und die Chancen zu ergreifen. Die hier präsentierten Szenarien sind keine festgeschriebenen Schicksale, sondern potenzielle Wege, die durch unsere heutigen Entscheidungen beeinflusst werden können. Möge dieses Buch dazu beitragen, eine informierte Debatte anzustoßen und die Weichen für eine wünschenswerte Zukunft Deutschlands zu stellen.

Zukunftslandkarte 2040/2050

Die Interdependenz der Szenarien

Die Zukunft als dynamisches System: Die zwölf miteinander verflochtenen Einzelszenarien bilden ein komplexes Netz und damit einen robusten Orientierungsrahmen für mögliche bis wahrscheinliche Trends, Entwicklungen oder realitätsbasierte Gedankenversuche. Doch »Schwarze Schwäne« – unvorhersehbare Ereignisse mit massiver Wirkung – können diese Trajektorien fundamental verändern. Solche Störgrößen wirken als Katalysatoren, die bestehende Szenarien abrupt beschleunigen, umkehren oder völlig neue Pfadabhängigkeiten schaffen. Zukunftsplanung muss daher nicht nur Wahrscheinlichkeiten, sondern auch radikale Diskontinuitäten antizipieren.

Kurzvorschau auf die 12 Szenarien

Szenario 1: Geburtenimplosion

Wer einen Blick in die Zukunft wagen möchte, muss nicht in Kristallkugeln lesen – ein nüchterner Blick auf die weltweiten Geburtenraten genügt. Während die Weltbevölkerung noch wächst, ist der Trend eindeutig: Die Abnahme der Geburtenraten, die bereits in den 1960er Jahren begann, ist ein »lautloses Siechtum«, dessen dramatische Folgen erst jetzt sichtbar werden. Die Zahl der Kinder pro Frau sinkt kontinuierlich, und in immer mehr Ländern liegt sie mittlerweile deutlich unter dem Bestandserhaltungsniveau von 2,11 Kinder pro Frau. Noch weist lediglich Subsahara-Afrika hohe Geburtenraten auf (4,28 Kindern pro Frau), doch auch dort sinken die Zahlen deutlich schneller als erwartet (etwa rund 3,2 Kinder pro Frau bis 2050).

Zum Vergleich: Bevölkerungsentwicklung in Europa und Subsahara-Afrika von 1950 bis 2100 laut ›UN World Population Prospects 2022‹ (Medium und High Variant, d.h. je nach erwarteter TFR). Europa wächst von rund 547 Millionen (1950) auf etwa 590 Millionen (2100, Medium) bzw. 610 Millionen (High) und zeigt damit eine langfristige Stagnation bzw. leichten Rückgang. Subsahara-Afrika steigt dagegen von 179 Millionen (1950) auf etwa 3,4 Milliarden (2100, Medium) bzw. 4,0 bis max. 4,5, Milliarden (High) – ein Anstieg um etwa das Zwanzigfache. Je schwächer die Regierungen in Subsahara-Afrika sind, desto weniger gelingt es ihnen, Armut, Hunger und Ungleichheit zu bekämpfen. Bis zum Jahr 2040 müssten in Subsahara-Afrika jeden Monat zwei Millionen zusätzliche Jobs geschaffen werden, um der wachsenden Zahl junger Erwerbsfähiger eine Perspektive zu bieten. Zur Erklärung: Subsahara-Afrika ist Afrika (inkl. Sahelzone) ohne Maghreb und Ägypten.

Diese Entwicklung hat weitreichende Folgen, die sich erst nach und nach offenbaren. Gesellschaften, die altern und schrumpfen, geraten in ökonomische und soziale Schieflage: Rentensysteme stehen unter Druck, die Gesundheitskosten steigen, die Innovationskraft droht zu erlahmen. Gleichzeitig sehen manche in der Geburtenkrise einen willkommenen Ausweg aus Umweltproblemen wie Klimawandel oder Ressourcenknappheit. Antinatalistische Strömungen, die den bewussten Verzicht auf Kinder propagieren, bestärken diese Sichtweise zusätzlich. Doch eine schrumpfende Bevölkerung bedeutet nicht automatisch eine Entlastung, sondern häufig das Gegenteil: Überalterung, Arbeitskräftemangel, sinkende Produktivität und Verlust der kulturellen Dynamik. Während humanoide Roboter, künstliche Intelligenz und Zuwanderung kurzfristig Lücken füllen können, bleibt die fundamentale Frage bestehen, ob eine Zivilisation ohne biologischen Nachwuchs auf Dauer überleben kann.

Historisch gesehen haben Gesellschaften, die sich selbst nicht reproduzieren, ihren Platz oft verloren oder wurden von vitaleren Kulturen verdrängt. Sie endeten bestenfalls als Fußnoten der Geschichte. Der aktuelle Rückgang der Geburtenraten könnte daher zu einem Wendepunkt der Weltgeschichte werden – mit ungewissem Ausgang.

Die schwarze Kurve zeigt die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland von 1900 (56 Mio.) bis 2050 (82,5 Mio.). Seit dem Jahr 2005 wird die Bevölkerungsentwicklung aufgeteilt nach »Deutsche ohne Migrationshintergrund« (grün) und »Deutsche mit Migrationshintergrund« (rot). Demnach gab es im Jahr 2005 rund 67,1 Millionen Deutsche ohne Migrationshintergrund und 15,3 Millionen Deutsche mit Migrationshintergrund. Dieses Verhältnis wird sich bis 2050 wie folgt verändern: 51 Millionen versus 31,5 Millionen. Nicht berücksichtigt sind in diesem Diagramm die in Deutschland lebenden Ausländer.

Szenario 2: Migrationsschocks

Seit 2015 erleben Europa und insbesondere Deutschland eine signifikante Zuwanderung, die – auf geregelte Weise – bereits 1961 mit den türkischen ›Gastarbeitern‹ begann. Die Hauptherkunftsländer der Einwanderer sind kontinuierlich Syrien, gefolgt von Afghanistan und dem Irak. Demografisch gesehen ist die Gruppe der unter 16-Jährigen die größte unter den Einwanderern. Der Familiennachzug spielt eine wichtige Rolle. Die Kosten pro Einwanderer für die Aufnahmegesellschaft sind Gegenstand unterschiedlicher Bewertungen. Mehrere Studien nehmen langfristige Kosten pro Asylsuchenden von durchschnittlich 475.000 bis 625.000 Euro in den ersten zwei Generationen und weitere 275.000 Euro für den Familiennachzug (pro Person) an.

Diese demografische Realität droht die politischen Mehrheitsverhältnisse, kulturellen Normen und gesellschaftlichen Prioritäten Deutschlands (und Europas) in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich zu prägen – eine Entwicklung, deren Auswirkungen heute schon in Ansätzen absehbar sind. Während der Einstieg ins erste Szenario dieses Buches mit dem Hinweis begann, »Wer wissen will, wie die Zukunft aussieht, muss sich nur die Geburtenraten anschauen«, ist für dieses Szenario folgende Ergänzung zwingend: »Wer die Zukunft Deutschlands verstehen will, muss einen Blick in die Kindergärten und Grundschulen des Landes werfen.« Die dort sichtbaren demografischen Realitäten zeichnen ein Bild grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen. Weshalb? 2024 hatten 42,6 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren einen Migrationshintergrund, während im Schuljahr 2023 bereits 29 Prozent der Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen eine Einwanderungsgeschichte aufwiesen. Diese Entwicklung verläuft jedoch höchst ungleichmäßig über das Land verteilt. In städtischen Ballungsräumen wie der bayerischen Industriestadt Schweinfurt zeigt sich das Ausmaß dieser demografischen Transformation besonders deutlich: Dort weisen durchschnittlich 72 Prozent der Erstklässler einen Migrationshintergrund auf, mit Spitzenwerten von 87 Prozent an einzelnen Grundschulen. In Nordrhein-Westfalen lag der Anteil der Schüler mit Zuwanderungsgeschichte bereits bei 42,7 Prozent an allgemeinbildenden Schulen. Je nach rechtlichen Entwicklungen wird ein großer Teil dieser heutigen Schüler in zehn bis zwölf Jahren wahlberechtigt sein und damit direkten politischen Einfluss ausüben.

Diese Zahlen dokumentieren nicht nur statistischen Wandel, sondern markieren eine fundamentale gesellschaftliche Transformation mit weitreichenden ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Konsequenzen.

Vergleich der Patentanmeldungen je 1 Mio. Einwohner zwischen Deutschland (grün) als Zielland von Migration und den Hauptherkunftsländern von Migration: Afghanistan (rosa), Irak (orange), Syrien (violett) und Türkei (rot). Innovationskraft, Patentanmeldungen u.Ä. sind eng mit dem Wohlstand einer Gesellschaft verknüpft: Hohe Innovationskraft führt zu mehr Patentanmeldungen, da Patente neue Erfindungen schützen und Anreize zur Forschung schaffen. Eine solche patentgestützte Innovationskultur fördert eine fortschrittliche Industriegesellschaft, die durch die Verwertung dieser Patente zu neuen Produkten und Dienstleistungen führt, was wiederum zu Wohlstand in Form von Wirtschaftswachstum und neuen Marktsegmenten beiträgt. Der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor Garrett Jones weist in seinem Buch »The Culture Transplant« nach, dass die kulturellen Merkmale von Einwanderern oft noch lange von Generation zu Generation fortbestehen. Sie verändern damit nicht nur die Länder, in die sie einwandern, sondern prägen auch deren Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Dieses Diagramm präjudiziert mithin mögliche Entwicklungspfade der weiteren Entwicklung Deutschlands.

Szenario 3: Verlust von Bildung und Vernunft

In einer Zeit, in der Wissen dank Internet und KI scheinbar nur einen Mausklick entfernt ist, zeichnet sich ein besorgniserregender Trend ab: Die kollektive kognitive Leistungsfähigkeit in vielen Gesellschaften scheint zu schwinden; kritisches Denken und die Innovationskraft breiter Bevölkerungsschichten sind bedroht. Der öffentliche Diskurs, einschließlich politischer Debatten, hat an Tiefe verloren und gleicht zunehmend einem simplifizierten, oberflächlichen Austausch, der komplexe Themen auf banale Narrative reduziert. Dieser Infantilismus in der Politik und in den Medien entfremdet die Bürger und fördert eine Kultur der Oberflächlichkeit, während radikale Ideologien, darunter gewaltbereite religiöse Extremismen, an Boden gewinnen.

Lange Zeit dokumentierten Forscher einen stetigen Anstieg der durchschnittlichen Intelligenzquotienten – bekannt als Flynn-Effekt –, doch in den letzten zwei Jahrzehnten kehrt sich dieser Trend in zahlreichen entwickelten Ländern um, mit sinkenden IQ-Werten. Studien deuten auf einen Rückgang in Bereichen wie verbalem Denken und logischem Problemlösen hin, der durch Umweltfaktoren wie veränderte Ernährung, Bildung und Medienkonsum beeinflusst wird. In den USA etwa zeigt der sogenannte ›Reverse-Flynn-Effekt‹ (auch negativer oder umgekehrter Flynn-Effekt) einen deutlichen Abfall in drei von vier kognitiven Domänen seit den 1990er Jahren.

Internationale Vergleiche wie die PISA-Studien untermauern diese Entwicklung: In Deutschland erreichten 15-Jährige 2022 die niedrigsten Werte aller Zeiten in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften, mit einem Rückgang von bis zu 15 Punkten im Vergleich zu 2018. Besonders alarmierend ist der Anstieg der »Low Performer« (Minderleister), wobei rund 30 Prozent der Schüler in Mathematik und Lesen unter dem Basiskompetenzniveau liegen.

Entwicklung der Schülerleistungen in Deutschland laut PISA (2001-2022) und IGLU: Die IGLU-Ergebnisse zeigen, dass die Lesekompetenz deutscher Grundschulkinder seit 2001 von 539 Punkten auf 524 Punkte (2021) gesunken ist – ein Rückgang um rund 15 Punkte, der auf eine deutlich nachlassende Lesefähigkeit im Grundschulalter hinweist. In der internationalen PISA-Studie zeigen sich ähnliche Entwicklungen: Nach einer deutlichen Leistungssteigerung in den 2000er-Jahren stagnieren die Ergebnisse seit 2012 und verschlechtern sich zuletzt (PISA 2022). Deutschland erreicht 475 Punkte in Mathematik, 480 in Lesen und 492 in Naturwissenschaften – jeweils unter den früheren Höchstwerten. Insgesamt deuten beide Studien darauf hin, dass die Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler seit etwa einem Jahrzehnt rückläufig sind, insbesondere in der Lesekompetenz, die sowohl bei IGLU als auch bei PISA als zentrale Schwäche sichtbar wird.

Diese Verschlechterung betrifft nicht nur Deutschland, sondern viele Länder, und löst Debatten über eine Bildungskrise aus, die durch fehlgeschlagene Reformen und Gleichheitsideale verstärkt wird. Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle, da intensiver Konsum mit kognitiven Fehlern, reduzierter Aufmerksamkeitsspanne und verstärkten Vorurteilen korreliert, insbesondere bei Personen mit niedrigerer kognitiver Fähigkeit. Der Verlust der traditionellen Lesekultur, ersetzt durch fragmentierte Inhalte, trägt ebenfalls zur Abnahme bei. Zudem wirken Migrationsströme aus Regionen mit niedrigeren Bildungsstandards ein, wobei Studien einen negativen Langzeiteffekt auf kognitive Fähigkeiten in Aufnahmeländern andeuten. Epigenetische Faktoren, wie Stress und Umweltgifte, könnten weitere Ursachen sein, wenngleich diese kontrovers diskutiert werden.

Die Konsequenzen sind weitreichend: Sinkende kognitive Kapazitäten gefährden die Wettbewerbsfähigkeit von Industrien, die Qualität demokratischer Prozesse und die gesellschaftliche Stabilität. Experten warnen vor einem Teufelskreis, in dem verdummte Massen und »Eliten« zunehmend irrationale Entscheidungen treffen. Ohne gezielte Interventionen, wie verbesserte Bildungssysteme und regulierten Medienkonsum, könnte sich dieser Trend fortsetzen und bis 2050 zu einem Verlust von bis zu zehn IQ-Punkten pro Generation führen, was Innovationen lähmt und soziale Konflikte verschärft.

Szenario 4: Klassenkrieg

»Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen«. Der Investor Warren E. Buffett stellte am 26.11.2006 in einem Interview mit der New York Times klar, dass ein Klassenkrieg existiert – geführt von den Reichen und bislang zu ihren Gunsten entschieden. Der Soziologe Hans Jürgen Krysmanski (1935-2016) beschrieb diese herrschende Klasse als ein System von Machtzirkeln, die um die Pyramide der Geldmachtklasse konzentrisch angeordnet sind. Getragen wird es von Konzerneliten, politischen Funktionseliten und einer Schicht akademischer Diener, den Intellektuellen. Letztere, meist in staatlichen oder staatsnahen Institutionen, Medien, NGOs oder Universitäten verankert, übernehmen die Rolle ideologischer Legitimatoren und praktischer Vollstrecker. Ihre Funktion besteht darin, den Prozess der Umverteilung von unten nach oben abzusichern und zugleich die gesellschaftliche Deutungshoheit zu behaupten. Sie haben einen Klassenkampf gegen die wertschöpfende Mehrheit eröffnet, die zunehmend marginalisiert wird.

Neue Frontlinien verlaufen zwischen »Anywheres« und »Somewheres«, zwischen einer »Takings Coalition« (Nehmende Hand) und einer »Leave Us Alone Coalition« (Gebende Hand). Die Intellektuellen sind – als Reservearmee des urban-akademischen Lumpenproletariats – durchdrungen von poststrukturalistischen, postmodernen und postnationalen Ideologien – etwa Great Reset, Energiewende, Degrowth und Wokeness. Sie verstehen sich als moralisch überlegene Avantgarde, die ihre Visionen einer »großen Transformation« mit allen Mitteln politischer, juristischer und medialer Kriegsführung durchsetzen will. Propaganda, Manipulation und Lawfare gehören zu ihren Macht-Werkzeugen. Das Verhältnis zur wertschöpfenden Klasse der »Werktätigen« ist dabei von Entfremdung und offener Feindschaft geprägt. So entsteht eine neue Qualität des Klassenkrieges, in dem nicht mehr nur Kapital und Arbeit, sondern auch Ideologie und Machttechnik die entscheidenden Waffen sind.

Dieser Konflikt zeichnet sich durch eine wachsende Härte aus, da die kulturelle und politische Führungsklasse ihre Existenz immer stärker auf Kosten der arbeitenden Mehrheit sichert, aber auch durch sie bedroht sieht. Der Konflikt entwickelt sich so zu einer neuen Qualität des Klassenkampfes um gesellschaftliche Vorherrschaft. Die Frage ist nicht, ob die kriegführende Klasse besiegt wird, sondern wann.

Hans Jürgen Krysmanskis Ringmodell der Machteliten: Im Zentrum steht die Geldmacht (oben), ein historisch gewachsener, vernetzter ultra-reicher Geldadel. Diesen umgeben ringförmig drei Funktionseliten (unten): 1. die Konzern- und Finanzeliten (Verwertungsmacht) für Kapitalakkumulation und Reichtumswachstum, 2. die parteipolitischen Funktionseliten (Verteilungsmacht; inkl. Justiz) zur Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben und 3. ein Millionenheer untergeordneter Experten, Technokraten, Medienleute, Beamte und Wohlfühlspezialisten (Wissensmacht, d.h. die Reservearmee des urban-akademischen Lumpenproletariats), deren Aufgabe es ist, Stabilität zu sichern, gesellschaftliche und geschichtliche Deutungen zu prägen sowie Denken und Verhalten zu steuern.

Szenario 5: Im Schatten bürgerlicher Spannungen

Ein Bürgerkrieg in Europa, noch dazu in Deutschland, klingt für viele wie ein Schreckgespenst aus dunklen Epochen, Geschichtsbüchern oder dystopischen Romanen. Doch Stimmen aus der Wissenschaft mahnen zur Vorsicht und warnen zunehmend vor genau diesem Szenario. David Betz, Professor für ›Krieg in der modernen Welt‹ am King’s College London, hält bürgerkriegsähnliche Zustände auch hierzulande für denkbar. Damit steht er nicht allein. Zahlreiche Historiker und Politikwissenschaftler verweisen auf Entwicklungen, die sich wie Bausteine einer gefährlichen Dynamik zusammensetzen: soziale und ethnische Fragmentierung, die zunehmende Abkopplung breiter Gruppen vom staatlichen Gemeinwesen, Tribalismus (Stammeszugehörigkeit vor Staatszugehörigkeit), Parallelgesellschaften, wachsende Armut und Ungleichheit, eine perspektivlose Jugend, ein Verfall der Bildungssysteme sowie die Verwahrlosung öffentlicher Räume und Infrastrukturen. Prämoderne, moderne und postmoderne Weltbilder existieren nicht nur nebeneinander, sondern auch in zunehmender Spannung gegeneinander. Hinzu kommt, dass Sicherheitsbehörden vielerorts an ihre Grenzen stoßen, während intransparentes Regierungshandeln und eine zunehmend polarisierte Öffentlichkeit das Vertrauen in die staatlichen Institutionen untergraben. Parallel dazu inszeniert sich eine selbstbewusst herrschende Schicht aus Parteifunktionären und Intellektuellen als Hüter eines neuen Deutungsmonopols – nicht selten verbunden mit dem Versuch, einen »kulturellen Bürgerkrieg« bzw. »Kulturkampf« gegen die Bevölkerung selbst zu führen (Szenario 4). Dabei bleiben die Gefahren nicht abstrakt.

Extremistische Gruppen nehmen zunehmend die kritische Infrastruktur ins Visier und verursachen Schäden, die längst Wirtschaft und Alltag spürbar treffen. Weitere Risiken sind unübersehbar: Zerfallende Metropolen, die in ›Feral Cities‹¹ (verwilderte Städte) – de facto unkontrollierbare urbane Räume, in denen das Faustrecht herrscht – übergehen könnten, ethnische Mikrostaaten² bzw. Enklaven mitten in Europa, eine weiterwachsende Spaltung zwischen gesellschaftlichen Gruppen. Was heute noch wie eine düstere Prognose wirkt, erscheint morgen womöglich als bittere Realität. Die zentrale Frage lautet daher: Ist ein Bürgerkrieg unausweichlich? Oder gibt es Wege, ihn zu verhindern?

Um den Risiken entgegenzutreten, sehen Fachleute mehrere mögliche Handlungsstrategien. Zentrale Bedeutung hat der Wiederaufbau von Vertrauen in staatliche Institutionen durch transparente, bürgernahe Politik und wirksame Gewaltenteilung. Ebenso entscheidend sind Investitionen in Bildung, soziale Integration und die Stärkung von Chancen für eine von Perspektivlosigkeit bedrohte Jugend. Städtebaulich und sicherheitspolitisch wird auf Prävention gesetzt: funktionierende Infrastruktur, Schutz kritischer Versorgungsnetze und konsequentes Vorgehen gegen organisierte Parallelstrukturen. Hinzu kommt die Förderung von Dialogformaten, die Polarisierung abbauen und gemeinsame Identität stiften sollen.

Doch allen historischen Erfahrungen zum Trotz unterlassen es die politischen, ökonomischen, medialen und juristischen Führungskader nicht nur, diese Maßnahmen zu ergreifen. Sie ignorieren arrogant die Signale der Mittelschicht. Stattdessen werden sie übergriffig und gießen noch Öl ins Feuer. Der traditionelle Feind eines Volkes ist nicht mehr zwingend ein anderes Volk oder eine sonstige äußere fremde Macht. Vielmehr scheint der Feind zunehmend im Inneren zu lauern. Einerseits von autochthoner, andererseits von allochthoner Herkunft.

¹Das Konzept der ›Feral City‹ (übersetzt oft als ›Schurkenstadt‹ oder ›verwilderte Stadt‹) bezeichnet eine Großstadt oder Stadtteile, in einem (ansonsten funktionierenden) Staat, in der die Zentralregierung weitgehend die Kontrolle und die Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit verloren hat. Diese Städte sind gekennzeichnet durch das Fehlen grundlegender sozialer Dienste und Sicherheit, hohe Kriminalität, die Kontrolle durch nicht-staatliche Akteure (wie Banden oder kriminelle Kartelle) und dienen oft als Zufluchtsort für Terroristen.

²Ethnische Mikrostaaten sind Enklaven innerhalb größerer Städte oder Stadtteile, die von einer ethnisch oder religiös homogenen Bevölkerung dominiert werden und oft eine eigene soziale und kulturelle Infrastruktur entwickeln.

Szenario 6: Aussichten aufs Kalifat

Deutschland im Jahr 2040: Ein Szenario, das bislang nur in Randgruppen gefordert und von der Mehrheitsgesellschaft für undenkbar gehalten wurde, rückt in den Mittelpunkt einer düsteren Debatte – die Vorstellung eines Kalifats auf deutschem (oder europäischem) Boden. Nicht nur radikalisierte Jugendliche, die sich in Chatgruppen, Hinterhof-Moscheen oder über soziale Medien von einer »islamischen Utopie« verführen lassen, träumen davon. Auch Ideologen, die z.B. mit der Muslimbruderschaft verbunden sind, einer in vielen islamischen Staaten verbotenen Organisation, arbeiten beharrlich und strategisch an der Umsetzung ihres erklärten Ziels: der Etablierung eines islamisch-schariatischen Herrschaftssystems. Der historische Bezug liegt nahe: Das letzte Kalifat, ausgerufen vom sogenannten »Islamischen Staat« (IS) zwischen 2014 und 2019, war geprägt von Terror, Gewalt und Unterdrückung – ein warnendes Beispiel, das dennoch bis heute als Vorbild in Teilen extremistischer Milieus dient.

Im europäischen Kontext gewinnt die Diskussion an Brisanz: Zuwanderung, wachsende muslimische Gemeinschaften und bewusste kulturelle Abschottung fördern das Entstehen paralleler Gesellschaften, in denen eigene Regeln und Werte gelten. Clanstrukturen, organisierte Kriminalität und ein steigender politischer Einfluss islamextremistischer Akteure verstärken diesen Trend. Symbolische wie auch praktische Forderungen – Halal-Essen in Schulen, streng getrennte Klassenfahrten, Minarette im Stadtbild oder das aggressive Einfordern religiöser Sonderrechte – markieren die schleichende Transformation. Dahinter steht eine entschiedene Ablehnung zentraler westlicher Werte wie Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit. Politik und Gesellschaft reagieren oft zu spät oder beschwichtigen, während die Dynamik an Fahrt aufnimmt. Schon heute zeigen Prognosen, etwa des Pew Research Centers, dass der muslimische Bevölkerungsanteil in Deutschland bis 2050 bei bis zu 20 Prozent liegt – eine Entwicklung, die sich unter bestimmten Bedingungen auch schon um 2035 oder 2040 einstellen könnte. Die Frage ist nicht nur, ob eine solche demografische Verschiebung die kulturelle Identität und die gesellschaftliche Kohäsion verändert, sondern ob sie auch andere politische Machtverhältnisse ermöglicht, die den Boden für eine autoritäre, religiös legitimierte Herrschaft bereiten.

Prognosen gehen meist von »linearen Trends« aus: höhere Fertilität, Migration und Stabilität der religiösen Identität. Ob die Zahl der Muslime in Deutschland und Europa wie erwartet steigt, hängt von vielen Faktoren ab – etwa sinkenden Geburtenraten durch Bildung, Arbeitsmarktintegration (von Frauen), verschärfter Migrationspolitik (Asyl- und Zuwanderungsregeln), Rück- oder Weiterwanderung, politischer Stabilität in Herkunftsländern oder einem allgemeinen Trend zur Säkularisierung, Apostasie, Konversion oder religiösen Distanz. Auch unvorhersehbare Einflüsse wie Wirtschaftskrisen, Pandemien oder Klimawandel können die Entwicklung bremsen oder umkehren.

Dieses Szenario untersucht daher die hypothetischen, auch ökonomischen, Auswirkungen eines Kalifats in Deutschland – eine Zukunftsvision, die nicht als Prognose verstanden werden darf, sondern als fiktionaler Gedankenversuch über die möglichen Konsequenzen aktueller Entwicklungen. Es geht um die Frage, wie stabil westliche Demokratien wirklich sind, wenn sie mit einer radikalen Gegenidee konfrontiert werden, die nicht nur in der Theorie, sondern zunehmend auch in der gesellschaftlichen Realität ihre Spuren hinterlässt.

Siedlungsdichte der muslimischen Bevölkerung in Deutschland (sowie Österreich, Schweiz). Historisch bedingt leben in Deutschland über 90 bis 95 Prozent aller Muslime in den alten Bundesländern. © Wolfgang W. Koestner.

Szenario 7: Technologische Stagnation

Während unsere Smartphones immer schneller werden und Künstliche Intelligenz täglich neue Schlagzeilen produziert, wächst paradoxerweise unter Wissenschaftlern und Ökonomen die Überzeugung, dass wir uns in einer Ära der technologischen Stagnation befinden. Seit den 1970er Jahren, so argumentieren führende Forscher, seien keine fundamentalen Basisinnovationen mehr entstanden, die Wirtschaftswachstum und Wohlstand langfristig und breitflächig antreiben könnten. Die Grenzproduktivität der Computertechnologie beeinflusst den Lebensstandard deutlich geringer als die großen Erfindungen früherer Epochen – von der Dampfmaschine über die Elektrizität bis hin zur Antibiotika-Entwicklung.

Die Infografik veranschaulicht die Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Zivilisation anhand zentraler Basisinnovationen – von den frühen Werkzeugen der Menschheit wie Faustkeil und Feuerkontrolle über Ackerbau, Rad, Schrift und Metallurgie bis hin zu den Schlüsseltechnologien der Neuzeit wie Buchdruck, Dampfmaschine und Elektrizität. Mit der industriellen und digitalen Ära folgen Verbrennungsmotor, Kernspaltung, Transistor, Halbleitertechnik, Internet, Künstliche Intelligenz und Synthetische Biologie – letztere beiden markieren den Übergang zur modernen Wissensgesellschaft. Zugleich verweist die Darstellung auf ein mögliches Risiko: Sowohl Kernspaltung als auch Synthetische Biologie bergen Potenziale zur Massenausrottung. Im Kontext der These der »technologischen Stagnation« verdeutlicht die Grafik, dass seit den 1970er Jahren keine wirklich neuen fundamentalen Basisinnovationen mehr entstanden sind – alle späteren Technologien lassen sich auf theoretische oder experimentelle Ansätze zurückführen, die bereits damals bekannt waren.

Während diese historischen Durchbrüche ganze Gesellschaften transformierten, erscheinen viele heutige Neuerungen als bloße Variationen bestehender Konzepte: bessere Bildschirme, schnellere Prozessoren, elegantere Apps. Peter Thiel, einer der prominentesten Verfechter dieser These, behauptet, dass echter Fortschritt fast nur noch in der digitalen Welt stattfindet, während physische Innovationen in Bereichen wie Transport, Energie und Medizin stagnieren. Thiel und andere Kritiker führen diese Entwicklung auf kulturelle und institutionelle Faktoren zurück: übertriebene Sicherheitsbedenken, regulatorische Hürden, innovationsfeindliche Bürokratie und Justiz sowie vor allem einen gesellschaftlichen Mangel an Ambition und Risikobereitschaft.

Die kontroverse ›Olduvai-Theorie‹ geht sogar so weit zu prognostizieren, dass das Industriezeitalter nur eine kurze Episode von 100 Jahren zwischen 1930 und 2030 darstellen wird – ein technologischer Höhenflug, dem unweigerlich der Rückfall folgt. Diese Diagnose wirft fundamentale Fragen über die Zukunft unserer Zivilisation auf: Stehen wir vor einem unvermeidlichen Ende des technischen Fortschritts, oder können gesellschaftliche Reformen und neue Ansätze in Forschung und Entwicklung die Innovationskraft wiederbeleben? Während Thiel eine gewisse Verschiebung im Silicon Valley erkennt, wo viele inzwischen das »Stagnationsproblem« anerkennen, bleibt die Frage, ob die aufkommenden Technologien wie fortgeschrittene KI, Quantencomputer oder Biotechnologie das Potenzial haben, eine neue Ära der Basisinnovationen einzuleiten und damit die pessimistischen Prognosen der Stagnationstheoretiker zu widerlegen.

Erklärung der Datenpunkte: Die Reihe beginnt 1883 mit rund 2.000 Patentanmeldungen bei 45 Millionen Einwohnern (zirka 44,4 je 1 Mio.). Die alte westdeutsche Bundesrepublik (ohne DDR) erreichte den Gipfel der Patentanmeldungen 1970 mit rund 60.000 Anmeldungen bei 67 Millionen Einwohnern (etwa 895,5 je 1 Mio.). 2023 gab es in Gesamtdeutschland 46.533 Patentanmeldungen (WIPO) bei 84 Millionen Einwohnern (entspricht 553 je 1 Mio.). Die Stagnation ist deutlich erkennbar.

Die Olduvai-Theorie von Richard C. Duncan postuliert, dass die industrielle Zivilisation eine begrenzte Phase von rund hundert Jahren (zirka 1930 bis 2030) umfasst, in der der weltweite Energieverbrauch pro Kopf und der technische Fortschritt ihre Höchststände erreichen. Ab etwa 2030 folgt laut Duncan ein rapider, unwiederbringlicher Rückgang der globalen Energiedichte pro Person, der den Zusammenbruch komplexer Infrastrukturen einleitet und über die nächsten Jahrhunderte zu vorindustriellen Gesellschaftsformen bis zum Zustand der Jäger-und-Sammler-Gesellschaft zurückführt, der um das Jahr 3000 n.u.Z. erreicht werden soll. Grafik: Nach Skizzen von Richard C. Duncan.

Szenario 8: Innovationsparalyse?

Innovation ist der Lebenssaft jeder Zivilisation – ohne sie würde der technologische Fortschritt pausieren und moderne Gesellschaften in Stillstand verharren. Ohne die Fähigkeit, Bestehendes zu hinterfragen, neu zu denken und mutig umzusetzen, hätte keine Gesellschaft den Sprung vom Feuer zur Elektrizität, vom Rad zur Raumfahrt geschafft. Doch was sind die eigentlichen Grundlagen von Innovationen? Sie entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern durch kollektive Bildung, geteiltes Wissen und die Fähigkeit zur Vernetzung von Ideen. Entscheidend ist dabei die kritische Vernunft – jenes geistige Werkzeug, das Menschen befähigt, Annahmen zu prüfen, Fehler zu erkennen und alternative Wege zu suchen.

Korrelationen bilden nicht unbedingt Kausalitäten ab. Der Vergleich ist dennoch vielsagend. Hier die Patentanmeldungen in Deutschland seit 1930, parallel dazu die IQ-Entwicklungen. Die Patentdaten sind kumulierte Daten: Deutsches Reich, DDR (für 1949-1989) und Bundesrepublik Deutschland. Die IQ-Daten sind stabil, mit leichter Variation (98-101). Anmerkung: Der Patent-Peak (1970) fällt nicht mit einem IQ-Anstieg zusammen, was auf andere Faktoren hinweist. Mögliche Gründe sind optimistische gesellschaftliche Stimmung, hohe Technikaffinität, mehr Risikobereitschaft, breitere Basis an »Tüftlern« (Autodidakten, Handwerker, Ingenieure), Ehrgeiz, Fleiß usw.

Die Frage, ob es heute überhaupt noch Basisinnovationen (Szenario 7) gibt oder nur Sekundärinnovationen – Variationen, Wiederholungen, marginale Verbesserungen bestehender Konzepte, die zwar praktisch, aber nicht paradigmenverändernd sind –, berührt den Kern der Zukunftsfähigkeit. Innovationsforscher sehen sich dabei vor die Aufgabe gestellt, nicht nur neue Technologien zu entwickeln, sondern die Bedingungen zu analysieren, unter denen überhaupt noch radikale Neuerungen möglich sind. Nur eine Minderheit an Neuprodukten etabliert sich langfristig im Markt, was die Bedeutung fundierter Innovationsforschung unterstreicht. Gleichzeitig warnen Experten vor einer besorgniserregenden gesellschaftlichen Entwicklung. Eine Gesellschaft, die den Verstand als Werkzeug der Neugier, des Urteilsvermögens und der Schöpferkraft vernachlässigt, wäre letztlich eine sterbende Gesellschaft. Deshalb gilt: Die Fähigkeit zum Hinterfragen bleibt die unerlässliche Bedingung jeder lebendigen Innovation.

Was wäre das für eine Welt, in der die meisten Menschen plötzlich nichts mehr hinterfragen würden? In der die Menschen, abgestumpft in passiver Akzeptanz, sich mit einem religiösen, esoterischen, feministischen oder woken Irrationalismus zufriedengäben? Wäre eine solche Gesellschaft noch innovationsfähig – gleich auf welchen Gebieten – wenn sie den Verstand als einst mächtiges Werkzeug der Neugier, des Urteilsvermögens und der Schöpferkraft aufgegeben hätte? Im Gegenteil: wahre Innovation lebt von Reibung, Widerspruch und dem Mut zum Querdenken.

Sinkende Gewerbeanmeldungen können die volkswirtschaftliche Erneuerungsrate (»schöpferische Zerstörung« nach Joseph Schumpeter) dämpfen — weniger Neugründungen bedeuten potenziell weniger betriebliche Erneuerung, weniger regionale Experimentierfelder und damit langfristig geringere Struktur- und Beschäftigungsdynamik in bestimmten Branchen oder Regionen. Die langfristig rückläufigen Gewerbeanmeldungen (nach dem Wiedervereinigungs-Peak in den 1990er Jahren) signalisieren eine abnehmende Breite der Gründungsdynamik, während Patentstatistiken und ausgewählte Startup-Indikatoren zeigen, dass Innovationskraft zwar weiterhin vorhanden, aber konzentrierter ist. Für den Standort Deutschland heißt das: Politik und Wirtschaft sollten sowohl die Breite (Niedrigschwelligkeit für Gründungen, Bürokratieabbau, regionale Förderung) als auch die Tiefe (IP-Förderung, Scale-up-Finanzierung, Technologietransfer) gezielt stärken, um Innovationskraft in Wachstum und Beschäftigung zu übersetzen

Szenario 9: Biedermeier mit Palantir

Fiktionale Transformationsprojekte wie Degrowth, Deindustrialisierung oder das Konzept des 15-Minuten-Ortes skizzieren Visionen einer künftigen Gesellschaft, die sich radikal von der heutigen unterscheiden will. Ihr erklärtes Ziel ist es, Ressourcen zu schonen, ökologische Belastungen zu reduzieren und das Leben in sozial ausgewogeneren Strukturen zu organisieren. Doch hinter den idealistischen Entwürfen verbergen sich tiefgreifende ökonomische und soziale Konsequenzen. Eine Abkehr von industriellem Wachstum und Wohlstandsschöpfung führt beinah zwangsläufig zu einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung und damit zu einer unaufhaltsamen Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.

Degrowth oder eine strikt angebotsorientierte Energieversorgung bedeuten Verzicht, höhere Preise und eine zunehmende Einschränkung des Lebensstandards. Die 15-Minuten-Stadt, in der auf einer Fläche zwischen etwa zwei bis fünf Quadratkilometern alle wichtigen Einrichtungen fußläufig erreichbar sein sollen, wird in ihrer Radikalität nicht nur als urbanes Ideal verstanden, sondern auch als Möglichkeit umfassender Kontrolle: Digitale Systeme könnten Bewegungen, Zahlungen und Konsum überwachen und durch die Einführung von programmierbarem Digitalgeld sogar das Verhalten der Bürger steuern. Was als Vision einer nachhaltigeren Gesellschaft beginnt, könnte so schnell in ein Szenario eingeschränkter Freiheiten, wachsender materieller Knappheit und einer umfassend digitalisierten Überwachung kippen. Der Preis dieser Zukunft wäre nicht mehr Fortschritt, sondern der Rückzug in die kontrollierte Enge eines neuen Biedermeiers – ökonomisch wie gesellschaftlich.

Die postmoderne Idylle der kurzen Wege: In der Vision einer 15-Minuten-Stadt und/oder einer Degrowth-Gesellschaft scheint alles nah, entschleunigt und nachhaltig – Wohnen, Lernen, Arbeiten, Einkaufen, Erholen. Doch was als ökologisches Ideal propagiert wird, könnte auch den Beginn einer neuen Ära der Begrenzung markieren: materiell zwar auf dem Niveau des Biedermeier (etwa 1815-1848), doch digital überwacht bis ins Detail – eine Welt der Nähe, mit begrenztem Wohlstand und grenzenloser Kontrolle.

Szenario 10: Langfristdenken

Langfristiges Denken ist die Fähigkeit, über den Moment hinauszublicken, Entscheidungen über den engen Rahmen der Gegenwart hinaus zu treffen und damit Entwicklungen zu gestalten, die über Generationen wirksam bleiben. Gegenwärtige Gesellschaften sind dagegen häufig in einem hektischen Kurzzeitdenken gefangen – getrieben von Wahlzyklen, Medienaufmerksamkeit und ökonomischen Quartalslogiken. Dies erschwert die Fähigkeit, langfristige Projekte konsequent zu verfolgen, sei es beim Ressourcenmanagement, dem Aufbau widerstandsfähiger Infrastrukturen oder in der Raumfahrt – nachhaltige Lösungen erfordern Planungshorizonte, die weit über das Heute hinausreichen. Die Kehrseite besteht oft in einem politisch blinden Populismus, der kurzfristige Erfolge über nachhaltige Verantwortung stellt, ohne langfristige Folgen zu bedenken. Er blendet mögliche Risiken aus und hinterlässt Schäden, die noch zukünftige Generationen zu tragen haben.

Historisch erweisen sich etwa Familienunternehmen, die über viele Generationen geführt werden, als bemerkenswert langlebig und zeigen, dass Kontinuität und Weitsicht tragfähigere Grundlagen schaffen als rein kurzfristige Renditeorientierung. Dieses Mindset könnte sogar als Modell für Denkszenarien dienen, die noch weit über irdische Maßstäbe hinausreichen – etwa für Generationenraumschiffe, die ohne langfristige Planung und Verantwortung nicht denkbar wären. Wer langfristig denkt, denkt zugleich ethisch, weil er das eigene Handeln nicht nur am persönlichen Nutzen, sondern am Wohl kommender Generationen misst. Langzeitdenken ist damit nicht nur eine strategische Fähigkeit, sondern ein gesellschaftliches Korrektiv gegen Egoismus und Verengung. In dieser Haltung liegt die leise, aber entscheidende Kraft, komplexe Zivilisationen zu tragen.

Langfristdenken: Wer im Maßstab von Jahrhunderten und Jahrtausenden plant, baut Verantwortung über Generationen hinweg auf – als Familienunternehmer, vom Kölner Dom über die Botschaften an die Ururenkel einer fernen Zukunft bis zu den Millionenjahr-Projekten neuer bewohnbarer Erden (Zeitangaben oben, Stand 2025).

Szenario 11: Wettlauf um die Hightech-Zukunft

Deutschland steht an einem wirtschaftlichen Scheideweg, der über die Zukunft des Industriestandorts entscheiden wird. Nach Jahren der Rezession droht der deutschen Wirtschaft eine weitere Krisenzeit, während Strukturwandel und Unsicherheit die Industrie- und Konsumkonjunktur lähmen. Besonders dramatisch zeigt sich die Lage in den traditionellen Schlüsselindustrien: Die Automobilindustrie verzeichnet den stärksten Beschäftigungsabbau, während die Chemieindustrie binnen Jahren große Teile ihrer Produktionsmenge verloren oder verlagert hat. Die Energiewirtschaft kämpft mit den Folgen des Strukturwandels und zu hohen Preisen, die die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien bedrohen. Diese Entwicklung nährt Befürchtungen einer galoppierenden Deindustrialisierung, die Deutschland seiner industriellen Basis berauben könnte. Demografische Herausforderungen, etwa der Mangel an qualifizierten Fachkräften (Szenario 2), verschärfen die Lage, während globale Unsicherheiten wie US-Zölle auf europäische Importe weitere Exporteinbußen verursachen könnten.

Doch hinter diesem düsteren Bild verbergen sich auch Chancen für einen Neuanfang. Deutschland besitzt in zukunftsträchtigen Technologiefeldern wie Biotechnologie und Synthetischer Biologie relevante Unternehmen sowie zahlreiche Innovationen in der Präzisionsmedizintechnik. Außerdem haben die Forschung sowie Unternehmen in den Bereichen Fusionsenergie, Künstliche Intelligenz und Robotik, Nanotechnologie sowie Quantencomputing und Quantenchips beträchtliche Potenziale. Beispielsweise gewinnen Fusionsenergie-Projekte an Fahrt, darunter Pläne für das erste Fusionskraftwerk in Deutschland bis 2035, mit exzellenten Partnerschaften sowie Rekordinvestitionen in ausgewählte Start-ups. Die deutsche Robotik erlebt derzeit eine dynamische Entwicklung, getrieben durch Innovationen in KI und Automatisierung, steht jedoch vor Herausforderungen durch internationale Konkurrenz und Fachkräftemangel. Die deutsche Verteidigungsindustrie wächst aufgrund geopolitischer Spannungen und erhöhter Rüstungsbudgets, bleibt aber von komplexen Exportregelungen und politischen Debatten beeinflusst. Diese Bereiche könnten zu den Grundpfeilern einer neuen Wirtschaftsära werden und Deutschland wieder an die Spitze technologischer Innovationen führen. Im besten Fall gelingt es, die vorhandene Forschungsexzellenz in marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen, neue Industriezweige zu etablieren und dabei Millionen zukunftsfähiger Arbeitsplätze zu schaffen. Durch einen solchen Wandel könnte Deutschland als führender Technologiestandort des 21. Jahrhunderts erhalten bleiben. Schlimmstenfalls bleibt jedoch die nötige Transformation aus, etablierte Industrien brechen weg, ohne dass neue nachfolgen, und Deutschland fällt international zurück – ein Szenario, das den gesellschaftlichen Wohlstand und die politische Stabilität endgültig gefährden dürfte.

Der ›Global Innovation Index‹ (GII) der ›Weltorganisation für geistiges Eigentum‹ (UN World Intellectual Property Organization) identifiziert die Innovationskraft der Volkswirtschaften weltweit, bewertet die Innovationsleistung von inzwischen fast 140 Volkswirtschaften und hebt dabei Stärken und Schwächen der Innovation hervor. Er soll ein möglichst vollständiges Bild der Innovation anhand von rund 80 Indikatoren erfassen, darunter Maßnahmen zum politischen Umfeld, zur Bildung, zur Infrastruktur und zur Wissensgenerierung jeder Volkswirtschaft. Das Diagramm zeigt im Vergleich die Entwicklung der Rangfolge von Deutschland, der Schweiz und den USA im ›Global Innovation Index‹ von 2009 bis 2025. Die Schweiz behauptet sich über den gesamten Zeitraum hinweg konstant an der Spitze, während sich die USA mit einer durchweg starken Leistung in den Top 10 platziert. Deutschland weist eine variablere Entwicklung auf, pendelt sich aber ebenfalls in den oberen Rängen ein – mit einer Tendenz nach unten.

Denn Wohlstand wird nicht dadurch geschaffen, dass man den alten verfrühstückt, sondern indem man neuen schafft. Das heutige Deutschland zehrt jedoch von dem, was frühere Generationen aufbauten, ohne genug Neues nachgelegt zu haben. Viele Ökonomen betonen, dass Deutschland spätestens seit den späten 1990er-Jahren von der Substanz lebt, da essenzielle Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung und Zukunftstechnologien versäumt, verschlafen oder verspielt wurden.

Szenario 12: Jenseits der Kármán-Linie

Die deutsche Raumfahrtgeschichte begann mit bahnbrechenden Entwicklungen wie der A4-Rakete, der späteren Terrorwaffe V-2, die unter Wernher von Braun während des Zweiten Weltkriegs entstand und die Grundlage moderner Raketentechnik legte. Der erste erfolgreiche Testflug der V-2 fand am 03.10.1942 statt und erreichte eine Höhe von 84,5 Kilometern, während eine weitere Rakete am 20.06.1944 als erstes von Menschen gebautes Objekt mit 176 Kilometern Höhe den Weltraum jenseits der Kármán-Linie (100 Kilometer über dem Meeresspiegel) durchstieß. In der Nachkriegszeit setzte Berthold Seliger, ein visionärer Raketenkonstrukteur, diese Pionierarbeit fort und startete 1963 von Cuxhaven aus eine Dreistufenrakete, die eine Höhe von über 100 Kilometern erreichte, was Deutschland als frühen Akteur in der zivilen Raumfahrt etablierte. Heute steht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Zentrum nationaler Bemühungen und koordiniert Projekte wie z.B. zahlreiche ESA-Missionen. Die etablierten Großunternehmen OHB und Airbus Defence and Space bilden das industrielle Fundament. Im New-Space-Sektor blühen deutsche Start-ups auf: Isar Aerospace plant orbitale Starts aus Westeuropa mit seiner Spectrum-Rakete. Rocket Factory Augsburg und HyImpulse Technologies entwickeln reusable Launcher (wiederverwendbare Trägersysteme), die den Markt für kleine Satelliten revolutionieren sollen. Die Bundesregierung fördert diese Dynamik durch gezielte Unterstützung der New-Space-Branche, um die globale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Der Raumgleiter Sänger II – ein in den 1980er-Jahren von MBB/DASA entwickeltes Konzept für ein wiederverwendbares Hyperschall-Raumtransportsystem – blieb einst Vision. Heute knüpfen neue Initiativen wie das HYTRAC-Team an diese Ideen an und wollen Deutschlands Hyperschalltechnologien weiterentwickeln. Gleichzeitig erlebt die deutsche Raumfahrtindustrie einen Aufschwung: Zahlreiche Raumfahrt-Start-ups arbeiten an Microlaunchern für den Satellitenstart, während Projekte wie die ›German Offshore Spaceport Alliance‹ (GOSA) den Aufbau eines eigenen Startplatzes in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee vorantreiben.

Für die nähere Zukunft rücken Mond und Mars in den Fokus: Es starten private und staatliche Missionen, darunter NASA-Sonden, die Mondbasen wie Artemis vorbereiten und Helium-3-Abbau für Fusionsenergie testen. Mars-Missionen, wie die geplante ESA-Rover-Expedition, untersuchen habitable Zonen, während Chinas Tianwen-2 Asteroidenproben sammelt, um Ressourcenpotenziale zu erschließen. Asteroiden-Bergbau gewinnt an Bedeutung. Firmen wie AstroForge streben die Exploration außerirdischer Lagerstätten an. Mit Missionen wie ›Odin‹ sollen Metalle, etwa Platin, gefördert und ein Milliardenmarkt erschlossen werden. Der Weltraumtourismus wird boomen, angetrieben von SpaceX und Blue Origin, die Raumflüge für Hunderte Passagiere jährlich ermöglichen und den Weltraum zugänglicher machen. Doch damit sind noch längst nicht die Grenzen erreicht.

Die Vorstellung weiterer interplanetarer Reisen – etwa zu Jupiter- oder Saturnmonden – liegt mittlerweile im Bereich des technisch Möglichen, auch wenn sie enorme Herausforderungen in Energieversorgung, Strahlenschutz und Lebensraumerhaltung mit sich bringt. Die 1977 gestartete Raumsonde Voyager 1 brauchte mit konventioneller Technologie (und Physik) für die Strecke von ungefähr 18 Milliarden Kilometer bis zum Rand des Sonnensystems, der Heliopause, gut 35 Jahre. Mehr als eine Menschengeneration. Ganz anders verhält es sich mit interstellaren Reisen: Sie bleiben trotz theoretischer Konzepte wie Generationen- oder Warp-Raumschiffe, Fusions- oder Sonnensegelantrieben wohl unerreichbar. Die gewaltigen Distanzen, die Grenzen heutiger Physik und die immensen Energiebedarfe machen selbst die nächste Sternnachbarschaft für Menschen auf absehbare Zeit unzugänglich. Das Fermi-Paradoxon erinnert daran, dass bislang keine Spuren anderer Zivilisationen entdecken wurden – vielleicht, weil die Hürden des interstellaren Reisens universell gelten.

Die Zukunft der Raumfahrt wie die der Menschheit liegt daher vermutlich in der interplanetaren Expansion und nicht im Sprung zu den Sternen. Letztlich wäre die Kolonisierung des Sonnensystems die letzte große Aufgabe der Menschheit. Dies zu meistern, würde bedeuten, unser Schicksal von der Erde zu lösen, als multiplanetare Spezies zu reifen und die menschliche Existenz über die Erde hinauszutragen. Es wäre als Ziel vielleicht das einzige Projekt, das die widerstreitenden Interessen der Menschen und die tiefen Spaltungen in der Gesellschaft überwinden und einen gemeinsamen Werterahmen schaffen könnte, der über Epochen hinweg Bestand hätte. Oder nur eine Utopie?

Finis

Das Ergebnis der Bundesrepublik Deutschland

Über ein Jahrhundert lang galt Deutschland als Wiege der Nobelpreise, des wissenschaftlichen und industriellen Fortschritts. Namen wie Wilhelm Conrad Röntgen, Emil von Behring, Robert Koch, Max Planck, Albert Einstein, Otto Hahn, Werner Heisenberg, Rudolf Ludwig Mößbauer, Manfred Eigen, Klaus von Klitzing oder Christiane Nüsslein-Volhard prägten das Bild eines Landes, das in Physik, Chemie und Medizin Weltmaßstäbe setzte. Die Zahl deutscher Nobelpreisträger erreichte in den 1920er-Jahren ihren Höhepunkt. Doch vom Glanz vergangener Zeiten ist wenig geblieben: Nach einer Blütezeit um 1920 und 1950 sinkt die Zahl der Nobelpreise für Deutsche kontinuierlich. Deutschland hat seine wissenschaftliche Tradition nicht verloren – aber die Rahmenbedingungen für bahnbrechende Entdeckungen haben sich verlagert. Heute prägen strukturelle Trägheit, internationale Konkurrenz und ein Mangel an Risikofreude das Bild, während die Nobelpreise zunehmend global verteilt werden.

Nachwort

Die Zukunft verlangt radikal neues Denken

Die biologische Evolution hat die menschlichen Gehirne darauf getrimmt, Muster zu erkennen und blitzschnell zu reagieren – ein Segen in stabilen, überschaubaren Umgebungen, ein Fluch in einer komplexen, chaotischen Welt. Was einst unser Überleben garantierte, wirkt heute oft wie eine mentale Fessel. Unsere Mustererkennung taugt wenig, wenn technologische Entwicklungen, politische Systembrüche und globale Verflechtungen das Morgen unberechenbar machen. Komplexitätsforscher, wie der US-amerikanische theoretische Biologe Stuart Kauffman, sprechen von einer nicht-linearen, »nicht-ergodischen« Welt, in der die Zukunft selten dem Gestern ähnelt und Zufall das Geschehen prägt.

Der israelische Historiker und Bestsellerautor Yuval Noah Harari betonte in einem Anfang September 2025 geführten Gespräch, dass es ihm als Historiker nicht nur um die Vergangenheit gehe: »Ich bin im Grunde Historiker, aber ein Historiker, der auch über die Gegenwart und die Zukunft schreibt, weil ich denke, dass Geschichte nicht nur das Studium der Vergangenheit ist, sondern das Studium des Wandels – wie sich die Dinge in der Welt verändern«. Dabei gehe es nicht um Vorhersagen: »Ich glaube nicht, dass es möglich ist, die Zukunft vorherzusagen. Aber über die Zukunft nachzudenken, macht es möglich, über die Bedeutung des Hier und Jetzt zu reflektieren – über die Entscheidungen, die wir heute treffen, weil viele dieser Entscheidungen Auswirkungen für Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte haben werden«. Für besonders gefährlich halte er die enorme Beschleunigung des Wandels: »Prozesse, die früher Jahrhunderte dauerten, passieren jetzt innerhalb von Jahrzehnten, manchmal sogar innerhalb weniger Jahre. […] Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir wirklich keinerlei Vorstellung, wie die Welt in zehn Jahren aussehen wird«. Früher hätten sich Veränderungen über Generationen erstreckt: »In der Vergangenheit dauerten die großen Veränderungen länger als ein menschliches Leben. […] Aber jetzt beschleunigt sich alles so sehr, dass die Kinder von Menschen, die erst in ihren Dreißigern oder Vierzigern sind, in einer völlig anderen Welt aufwachsen werden als sie selbst«.

Das Beispiel der Militärplanung zeigt die Grenzen klassischer Prognosen: Die größten Beschaffungsprogramme der deutschen Bundeswehr, wie Eurofighter, F-35, FCAS (Mehrzweckkampfflugzeug der sechsten Generation) oder MGCS (Main Ground Combat System) umfassen Investitionen von über 300 Milliarden Euro bis 2041, mit Planungszeiten von fünf bis zehn Jahren und Zeithorizonte von 2026 bis nach 2070. Die Einführung des MGCS ist beispielsweise für die frühen 2040er Jahre vorgesehen. Doch dieses Programm wurde ab 2012 konzipiert, beantwortete also die Verteidigungsfragen von damals, nicht die von morgen. Niemand kann langfristig exakt vorhersehen, welche Fähigkeiten benötigt werden. Diese Planungsunsicherheit betrifft nicht nur die Verteidigung, sondern alle Branchen – von Technologie und Medizin bis Produktentwicklung und Infrastruktur.

Doch wie umgehen mit einer Zukunft, die sich jeder Vorhersage entzieht? Die Antwort liegt im »Zukunftsdenken« (Futures Thinking) – einer Disziplin, die lehrt, über bloße Wahrscheinlichkeiten hinauszugehen und das gesamte Spektrum von Möglichkeiten zu denken. Es gilt, die mentalen Muster der Vergangenheit zu verlernen und sich bewusst für das Imaginieren alternativer Zukünfte zu trainieren. Forscher wie der US-amerikanische Psychologe Philip E. Tetlock zeigen: Wer methodisch Szenarien entwirft, konträre Standpunkte sucht und sein Urteil mit jeder neuen Information aktiv anpasst, eignet sich jene geistige Beweglichkeit an, die in einer unvorhersehbaren Welt zum entscheidenden Vorteil werden kann.

Prinzipien für das Denken in Zukünften

Praktisch heißt das: Jede Annahme über die Zukunft muss hinterfragt und sichtbar gemacht werden. Der Dialog mit fachfremden und widersprechenden Personen sollte bewusst gesucht werden. Szenarien-Vielfalt ist der Schlüssel – also nicht nur die komfortablen, sondern gerade die irritierenden und unwahrscheinlichen Alternativen denken. Und schließlich: In diesen Szenarien konsequent fragen, wie man wirklich handeln würde, welche Zwänge wegfielen und welche Chancen sich auftäten.

Mental flexibel ins Unbekannte

Der Paradigmenwechsel von linearer Planung hin zu mentaler Agilität verändert die Vorbereitung auf Unbekanntes grundlegend. Wer sich darin übt, Annahmen zu identifizieren, Unsicherheit produktiv zu machen, nichtlineare Entwicklungen sowie ›Schwarze Schwäne‹ mitzudenken, schärft mehr als sein Urteilsvermögen. Er wird zum handlungsfähigen Pionier in einer Welt, deren größte Konstante der Wandel ist. Das ist die neue Kunst des »Zukunftsdenkens« – und sie entscheidet womöglich, wer morgen führend bleibt.

In der Einleitung war zu lesen: Das ganze Bild ergibt sich indessen erst, wenn man sich alle zwölf Szenarien gleichzeitig zusammen denkt. Wenn man sich jedes Szenario auf eine durchsichtige Folie skizziert vorstellt, alle zwölf Folien übereinanderlegt und gegen das Licht hält …

Der Kulturphilosoph Arnold J. Toynbee sah die Grundlage der Entstehung von Zivilisationen in der Fähigkeit »schöpferischer Minderheiten« Lösungen und Antworten (responses) für die Krisen und Herausforderungen (challenges) des jeweiligen Zeitalters zu finden.

Gelingt diese Krisenbewältigung nicht, wird die jeweilige Zivilisation untergehen.

Klappentext zu FUTŪRUM GERMĀNIÆ

Deutschland am Scheideweg

In einer Welt voller Umbrüche wagt FUTŪRUM GERMĀNIÆ einen schonungslosen Blick in die möglichen Zukünfte Deutschlands. Dieses provokante Werk entfaltet zwölf prägnante Szenarien, die unser Land in den kommenden Jahrzehnten prägen könnten – von düsteren Prognosen bis hin zu visionären Möglichkeiten.

Tauchen Sie ein in den ersten Teil »Entropistan«, wo die Schatten von Geburtenimplosion, Migrationsschocks, Bildungsabsturz und einem eskalierenden Klassenkrieg drohen, die Gesellschaft zu zerreißen und in bürgerkriegsähnliche Zustände oder gar in die Vision eines Kalifats zu führen. Ist dies das unausweichliche Schicksal einer Nation, die ihre Herausforderungen ignoriert?

Oder führt der Weg in den zweiten Teil »Eldorado«? Entdecken Sie Szenarien, die zeigen, wie Deutschland durch mutiges Langfristdenken, gezielte Wertschöpfung in Spitzentechnologien wie Präzisionsmedizin, Fusionsenergie oder Robotik, sowie durch den Aufbruch »Jenseits der Kármán-Linie« in eine neue Ära des Wohlstands und der globalen Führung aufsteigen könnte. Eine Zukunft, in der Innovationsparalyse und technologische Stagnation überwunden werden und die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit neu definiert wird.

FUTŪRUM GERMĀNIÆ ist mehr als eine Analyse – es ist ein Weckruf. Es fordert uns auf, die Komplexität der Zukunft zu erkennen, die Risiken zu verstehen und die Chancen zu ergreifen. Welche Zukunft wählen wir? Dieses Buch ist ein Kompass für alle, die verstehen wollen, wohin Deutschland steuert, und die aktiv an seiner Gestaltung mitwirken möchten.

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